Technische Gestaltung > Planen und Konzipieren > Ermitteln von Funktionen und deren Strukturen > Ermitteln der Gesamtfunktion
Ziel dieses Arbeitsschrittes ist die Vorbereitung der Entwicklung von Verfahrensprinzipien und Funktionsstrukturen durch eine zweckdienlich bestimmte Gesamtfunktion. Die Aufgabenpräzisierung liefert einen detaillierten Funktionsplan mit Angaben, die durch Abstraktion auf die für den Zweck wesentlichen Informationen eingeschränkt werden. Das Vorgehen veranschaulicht das abgebildete Beispiel.
Für einen Monochromator mit zwei Wellenlängenbereichen sollen eine koaxiale Lagerung und der Antrieb für zwei Planspiegel konstruiert werden.


Für einen Monochromator mit zwei Wellenlängenbereichen sollen eine koaxiale Lagerung und der Antrieb für zwei Planspiegel konstruiert werden. Das Optikschema stellt eine Autokollimationsanordnung dar, in der das Prisma infolge der Reflektion an den Spiegeln zweimal durchsetzt wird. Durch eine Kippung φ beider Spiegel um Achsenparallel zu Zeichenebene wird der Antrittsspalt zweimal auf den danebenliegenden Austrittsspalt abgebildet, so dass bei Schwenkungen der Spiegel um Δ im Austrittsspalt Spektralfarben gemischt werden.
Nach den Regeln im Abschnitt „Planen und Präzisieren von Aufgaben“ wurde folgender Funktionsplan für die Spiegelverstelleinrichtung erarbeitet:


Die abgebildete Aufgabe enthält Aufgaben über die Funktion (rot dargestellt), die Umgebung (grün dargestellt) und die Struktur, die dem Funktionsplan entsprechend geordnet sind. Der Mensch bedient diese zu konstruierende Spiegelverstelleinrichtung von Hand mittels Drehungen α1 und α2, die die Spiegelschwenkungen Δ1 und Δ2 bewirken sollen. ψ1 und ψ2 sind die für die Spiegelkippungen φ1 und φ2 notwendigen Justierbewegungen. Über die am Austrittsspalt eingestellte Lichtwellenlänge erhält der Bediener durch eine Skala die Information Inf λ1 und Inf λ2. Die technische Peripherie der gewünschten Spiegelverstelleinrichtungen ist am Eingang durch den Eintrittsspalt und das Prisma und am Ausgang durch den Parabolspiegel und den Austrittsspalt gegeben. Die unabhängig voneinander schwenkbaren Spiegel 1 und 2 sind die ersten Elemente der zu konstruierenden Baugruppen, d. h. Bestandteile der gesuchten Struktur. Dieser Funktionsplan zeigt sowohl die funktionswichtigen Ein- und Ausgangsgrößen als auch die für den Zweck der Spiegelverstellung untergeordneten Parameter.
Die Lösungssuche wird erleichtert wenn man sich auf die funktionswichtigen Angaben beschränkt.
Dazu sind folgende Abstraktionsschritte zweckmäßig:
- Vernachlässigung nichtfunktionsrelevanter Größen
- Vereinfachen quantitativer Angaben auf wesentliche Größenrelationen
- Vernachlässigen von Merkmalen der funktionswichtigen Ein- und Ausgangsgrößen (Verlauf, Richtung Anzahl, physikalischer Träger)
Schritt 1: Vernachlässigung nichtfunktionsrelevanter Größen
- Weglassen der Justierbewegungen der Spiegel (Hilfsfunktion)
- Weglassen der Störgrößen


Die Justierbewegungen ψ1, ψ2 und die dazugehörigen Spiegelkippungen φ1 und φ2 werden nur einmal während der Montage ausgeführt. Es ist zweckmäßig, konstruktive Lösungen dafür erst zu suchen, wenn bekannt ist, wie die Spiegel gefasst werden. Als Lösung wäre eine justierbare Fassung möglich. Die als Störgröße wirkenden Spiegelgewichte F1 und F2 belasten durch die massiven Spiegelkörper die benötigten Präzisionslager. Sie werden beim Entwurf der Funktionsstruktur ebenso außer Acht gelassen, wie die Laborbedingungen, zu denen zum Beispiel Temperaturschwankungen und Streulichteinflüsse gehören.
Schritte 2 und 3: Vereinfachen quantitativer Angaben auf wesentliche Größenrelationen und Vernachlässigen von Merkmalen der funktionswichtigen Ein- und Ausgangsgrößen
Die quantitativen Parameter der Ein- und Ausgangsgrößen werden abstrahiert. Die notwendige Feinfühligkeit Fü die Spiegelschwenkung beträgt:


Somit ist δ << α. Da für beide Spiegel eine identische Lösung möglich ist, genügt es, zunächst nur ein Verstellsystem zu betrachten.


Die manuelle Spiegelverstellung erfordert eine große Untersetzung, damit +/- 2 Bogensekunden an den Spiegeln einstellbar sind. Von Hand kann man am Umfang des Drehknopfes mit einem geeigneten Durchmesser ca. 1 mm sicher einstellen. Daraus folgt die Feinfühligkeit, die mit einer Untersetzung von ca. 2000 realisierbar ist. Merkmale von Ein- und Ausgangsgrößen sind zum Beispiel deren Anzahl, deren physikalische Träger von Informationen, die Richtung, der Zeitverlauf u. Ä. Im Beispiel kann man die doppelt vorhandenen Spiegel und deren Funktionsgröße zunächst mit einer Gesamtfunktion beschreiben.
Der physikalische Träger für Inf λ ist wie eine Skala in der Aufgabenstellung gegeben. Ihre technische Ausführung bleibt aber offen. Die so abstrahierte Gesamtfunktion ist nun Ausgangsbasis für das Entwickeln von Funktionsstrukturen.
Hinweis: Der Grad der Abstraktion der Gesamtfunktion beeinflusst die Zahl der möglichen Lösungsvarianten:
- Hohe Abstraktion => große Lösungsmenge (hoher Aufwand bei Ermittlung u. Auswertung)
- Geringe Abstraktion => eingeschränkte Lösungsmenge (geringerer Aufwand, aber u. U. keine hinreichende Innovation)
Hilfsmittel: Methode des Grundprinzips
