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Der letzte Aspekt zur fertigungsgerechten Gestaltung von gießtechnischen Werkstücken befasst sich mit der Notwendigkeit, Gussteile so zu gestalten, dass sie nach dem Ausformen, die für die nachfolgenden Bearbeitungsprozesse erforderlichen geometrischen und stofflichen Eigenschaften besitzen. Die Nachbearbeitung von Gusswerkstücken ist ein vielschichtiger Prozess mit differenzierten Anforderungen an die Gestaltung der Werkstücke.
Die Hauptaufgaben der Nachbearbeitung bestehen in der

  • Entfernung gießtechnischer Elemente, wie Anguss, Steiger, Materialzugaben und Grate in Formteilungsebenen u.a.
  • Beseitigung von Oberflächenfehlern, wie Treibstellen, anhaftende Formstoffe, Gusshäute, Einschlüsse oder Ausblühungen u.a.
  • Veränderung der Oberflächenstruktur zur Verbesserung der Oberflächenqualität, wie Korrosionsschutzbeschichtungen, Verminderung von Oberflächenspannung, Veränderung der Rauhigkeit usw.
  • Korrektur der geometrischen Abweichungen und
  • Schaffung technologischer Basen für die mechanische Bearbeitung und Montage des Gussteile.

Oberster Gestaltungsgrundsatz ist dabei, den Nachbearbeitungsaufwand so gering wie möglich zu halten um damit die Effektivität des Gesamtprozesses zu steigern. Das Ziel des Nachbearbeitungsgerechten Gestaltens besteht also in der Optimierung des Materialeinsatzes (Bauteilgewicht, Bearbeitungsverschnitt), der Verringerung des Zeitaufwandes für die Nachbearbeitung und der Reduzierung des Werkzeugeinsatzes (Verschleiß). Nachfolgend soll anhand einiger Beispiele gezeigt werden, wie der häufig sehr hohe Nachbearbeitungsaufwand z.B. durch geringfügige Änderungen an der Werkstückgeo-metrie oder durch die Änderung seiner Lage in der Form beträchtlich reduziert werden kann.

Bei dem Gussteil im oberen Bild ist die Formteilungsebene zuerst, wie in Abbildung a dargestellt, positioniert worden. Der Grat entsteht immer an der Fuge der beiden Formenhälften, d.h. in der Formteilungsebene. In Abbildung a liegt dieser Grat im Bereich von Planflächen und Einbuchtungen, was die Nachbearbeitung aufwendig macht. Durch die Änderung der Formteilungsebene (Abb. b) kann dieses Problem umgangen werden. Wenn zusätzlich an der Gussform entsprechende Ausformschrägen berücksichtigt werden, befindet sich der Grat immer im Bereich von gewölbten Flächen. Dort ist er technisch günstiger zu entfernen als an Planflächen und das Ergebnis ist optisch besser.




Bild: Nachbearbeitung von Gussteilen


Bei dem Beispiel im unteren Bild soll am Gussteil eine Auflagefläche nachbearbeitet werden, da sie höheren Anforderungen genügen muss; erkennbar an der im Bild angegebenen kleineren Rauhigkeit, die durch Gießen nicht erreicht wird. Wenn sich der Grat, wie in Abbildung a (FTE unten) an der Unterseite des Werkstü-ckes befindet, sind bei der Nachbearbeitung zwei Arbeitsgänge erforderlich. Dies lässt sich umgehen, wenn die Formteilungsebene in die nachträglich zu bearbeitende Fläche verschoben wird (Abb. b). Dazu wird die Gestalt des Gussstückes nur geringfügig abgeändert, so dass die Hinterschneidung im Fußbereich entfällt. Beide Bearbeitungsschritte, das Entgraten und die Oberflächenbearbeitung können nun in einem Arbeitsgang ausgeführt werden.




Bild: Optimierung der Nachbearbeitung


Um Flächen maschinell bearbeiten zu können, müssen die Werkstücke in eine Maschine eingespannt werden können. Das ist bei der Darstellung im Bild - Abbildung a, nicht möglich. Die Schaffung einer sogenannten "technologischen Basis" kann wie in Abbildung b aussehen. An der erforderlichen Stelle wird einfach noch ein Volumenelement angesetzt und damit eine zweite Planfläche hergestellt, die das Einspannen des Werkstückes ermöglicht. In Abbildung c und d wird in gleicher Weise verfahren. Hier ist das Teil durch seine Form (Abb. c) für ein einfaches Einspannen ungeeignet.




Bild: Nachbearbeitung - Schaffung technologischer Basen


Eine weitere Grundforderung in der nachbearbeitungsgerechten Gestaltung ist, die zu bearbeitenden Flächen möglichst klein zu halten. Soll das im oberen Bild - Abbildung a dargestellten Gussteil mit einem Gegenstück verbunden werden (z.B. Flanschenverbindung), reicht es aus, wenn nur eine kleine Fläche als Passfläche gestaltet wird (Abb. b).




Bild: Minimierung der Bearbeitungsflächen


Analog wird in dem Beispiel im unteren Bild - Abbildung a bis b3 verfahren. Hier soll an einem Gusswerkstück eine Auflagefläche mit besonderer Oberflächenqualität her-gestellt werden. In Abbildung c ist noch die komplette Fläche als Auflage vorgesehen, die im Weiteren immer mehr reduziert wird (Abb. b1 = Randfläche, Abb. b2 = 2 Kantenflächen, Abb. b3 = 4 Eckpunkte, Füße). Die Auflagefläche wird also auf das statisch notwendige Maß herabgesetzt. Eine geringere Fläche für die Nachbearbeitung bedeutet weniger Zeitaufwand, weniger Materialabfall und weniger Verschleiß für die Bearbeitungswerkzeuge.




Bild: Minimierung der Bearbeitungsflächen


Bei dem Beispiel im Bild verhält es sich genau umgekehrt, es wird nicht weniger sondern mehr Material für das Werkstück eingesetzt. Dadurch wird aber erreicht, dass die fünf zu bearbeitenden Einzelflächen (Abb. a) auf zwei reduziert werden (Abb. b). Sinnvoll ist das z.B. wenn es sich um Sandgussteile handelt, deren Oberflächen durch Einschlüsse von Sandteilchen sehr hart sind. Daraus resultiert eine erhöhte Belastung für die Werkzeuge, die durch das Schaffen einer gemeinsamen Fläche verringert werden kann und den Verschleiß herabsetzt.




Bild: Minimierung der Nachbearbeitung durch Flächenvereinigung


Bei dem ersten Beispiel im oberen Bild (Abb. a und b) ist ein Werkstück abgebildet, das mit zwei Auflageflächen einer definierten Oberflächenqualität versehen werden soll. Die geforderte Oberflächenrauhigkeit ist im normalen Gießprozess nicht zu reali-sieren, sodass hier eine Nachbearbeitung in Form von Schleifen oder Fräsen stattfinden würde. Aus der unterschiedlichen Höhe der beiden Flächen resultieren zwei Bearbeitungsschritte, die nacheinander zu realisieren sind. Technologisch günstiger wäre es, wenn sich beide Flächen auf gleicher Höhe befinden würden.




Bild: Bearbeitungsebene


Im unteren Bild (Abb. a) sollte eine einheitliche Bearbeitungsrichtung eingehalten werden. Dies ist in Abbildung b umgesetzt und somit kann ein zweiter Arbeitsschritt eingespart werden. Hier tritt der zusätzliche Effekt ein, dass durch diese geringfügige Veränderung der Werkstückgeometrie bereits bei der Herstellung des Gussmodells Arbeitsschritte und damit Zeit eingespart werden können.




Bild: Bearbeitungsebene


Auch im Bild geht es darum, eine Auflagefläche nach zu bearbeiten. Bei dem Gussteil in Abbildung a schneidet die Nachbearbeitungsebene den relativ großen Radius der Körperkante. Das Durchtrennen der relativ unregelmäßigen Gusshaut sowie geringfügige Abweichungen am Werkstück (Oberflächen-, Geometrie- oder Lageabweichungen) würden zu dem, in der Draufsicht dargestellten optischen Mangel führen. Eine Gleichmäßigkeit der Begrenzungskante der Bearbeitungsfläche ist so nicht herstellbar. Um diese Unregelmäßigkeiten zu vermeiden und die gewünschte Optik zu erzielen, ist es möglich, wie in Abbildung b, die zu bearbeitende Fläche von vornherein zu beschränken. Abweichungen, wie oben aufgeführt, spielen dabei nur noch eine untergeordnete Rolle.




Bild: Nachbearbeitung von Begrenzungsflächen


Im Bild, welches bereits im Kapitel 'Toleranzgerechtes Gestalten von Gussteilen' besprochen wurde, geht es im Zusammenhang mit der Nachbearbeitung um die Frage, wann eine Bohrung nachträglich angebracht werden sollte. Bei dem Übergang, der in Abbildung a dargestellt ist, wird das Bohren mit einem zweischneidigen Bohrer problematisch, da er an einer solchen Stelle bruchgefährdet ist. Eine günstigere Lösung ist daher, die Bohrung von der Wand zu versetzen (Abb. b). Unter bestimmten Umständen kann, wie in Abbildung c gezeigt, eine Grundbohrung auch eine Lösung darstellen. Wenn Bohrungen nun in eine Werkstückwand eingebracht werden müssen (Abb. d), ergibt sich aufgrund der geringen verbleibenden Wandstärke ein noch größeres Problem. Sowohl der Gießprozess als auch der Nachbearbeitungsprozess müssen mit einer sehr hohen Genauigkeit ablaufen. Bereits geringe Abweichungen können zum Ausschuss des Werkstückes führen. Die Lösung sieht wie in Abbildung e aus. Durch die Ausformung eines sogenannten Auges im Bereich der nachträglich einzubringenden Bohrung, ergibt sich für die Nachbearbeitung ein größerer Toleranzbereich.




Bild: Genauigkeit


In Bild ist ein Problem dargestellt, welches in der spanenden Bearbeitung häufig auftritt. Die zu bearbeitende Fläche befindet sich innerhalb der Wandung. Die Fläche wird, wie in Abbildung a, im ersten Schritt mit einem Meißel bearbeitet. Um die geforderte Genauigkeit der Innenfläche zu erreichen und diese Fläche vollständig und sauber zu bearbeiten, wird um sie herum eine Vertiefung ausgebildet. Der Einsatz eines Walzenfräsers ist für die Bearbeitung dieser Fläche nur dann mög-lich, wenn die umlaufende Nut, wie in Abbildung b2 ausgebildet ist. Die Fläche kann ebenso mit einem Stirnfräser nachbearbeitet werden (Abb. c). Dabei besteht, wie in den Abbildungen d1 und d2 dargestellt, die Möglichkeit, entweder die Größe des Fräsers entsprechend zu wählen oder die Lage und Breite der zu bearbeitenden Flächen entsprechend zu verändern.




Bild: Nachbearbeitung von Flächen


Jedes Unternehmen legt Wert darauf, seine Produkte durch das Anbringen eines Logos zu kennzeichnen. Im Bild ist das am Beispiel von Carl Zeiss Jena, in drei verschiedenen Varianten dargestellt. Damit dieses Zeichen möglichst hervor tritt, muss am Stempel die Oberfläche speziell bearbeitet werden. In Variante 1 (Abb. a) wird die Fläche um die Buchstaben herum abgetragen, in Variante 2 (Abb. b) werden die Buchstaben selbst in den Stempel hineingefräst und in Variante 3 (Abb. c) wird eine ebene Fläche eingesenkt und nachfolgend die Buchstaben in diese hineingefräst.




Bild: Kennzeichnung von Werkstücken


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