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In allen Bereichen der Technik tritt die Grundfrage nach geforderten Genauigkeiten und zulässigen Toleranzen auf, d.h. im vorliegenden Fall die Abweichung von geometrischen oder technischen Parametern, die sich aber nur in einem definierten Bereich bewegen dürfen, damit die Funktionalität des technischen Prozesses gewährleistet bleibt. Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich speziell mit Toleranzen im Zusammenhang mit den betrachteten gießtechnischen Herstellungsverfahren.
Prinzipiell kann gesagt werden, dass in der Gießtechnik mit möglichst großen Tole-ranzen gearbeitet wird um die Kosten gering zu halten.


Im Bild - Abbildung a bis c ist ein Gussteil dargestellt, dass nachträglich mit einem Gewinde zu versehen ist. Der Nachteil dabei ist, dass das Gewinde in der Krümmung sitzen soll (Abb. a). Durch Bearbeitung mit einem Bohrer kann es an dieser Stelle relativ schnell zu einem Materialbruch kommen. Um dies zu vermeiden, wäre es zum einen denkbar, die Lage der Bohrung zu verändern (Abb. b) oder durch Verdickungen in der in Abbildung c dargestellten Form die Stabilität des Werkstückes zu erhöhen. Die Variante b hat dabei den Vorteil, dass im Knotenpunkt keine kritischen Materialanhäufungen entstehen und dass man den gebogenen Übergang des Bohrers in den freien Raum vermeidet. Generell gilt auch, dass eine Durchbohrung günstiger ist als eine Grundbohrung.
Im zweiten Beispiel (vgl. oberes Bild) ist zu erkennen, dass eine Bohrung an einer Stelle angebracht werden soll, an der die Wandstärke sehr gering ist. Sie beträgt 6 mm und die Bohrung mit Gewinde hat einen Durchmesser von 4 mm. Dadurch stehen beidseitig nur 1 mm zur Verfügung (Abb. a) und die Fertigungstoleranz dieses Gussteiles muss dementsprechend klein sein.
Die Lösung ist konstruktiv recht einfach. Durch die Verstärkung des Materials im Bereich der künftigen Bohrung wird erreicht, dass wieder mit großen Toleranzen gearbeitet werden kann (Abb. b).


Im Beispiel im unteren Bild - Abbildung a wird ein Problem behandelt, dass beim Fügen oder Verbinden zweier Teile (z.B. Gehäuse-Deckel, Rohrenden etc.) auftritt, die annähernd gleiche Abmaße bzw. Durchmesser besitzen.
Selbst sehr geringe geometrische Unterschiede sind z.B. innerhalb geforderter Toleranzen sofort sichtbar und die Aufgabe besteht darin, dieses Erscheinungsbild optisch oder technologisch zu verbessern.
Wenn die ungewollte Sichtkante (Abb. a) verschwinden soll, müsste an beiden Teilen die gesamte Oberfläche spanend bearbeitet werden.
Wenn nun, wie in Abbildung b1 und b2, nur eine Wulst ausgebildet wird, ist die Situation wesentlich günstiger, da ein wesentlich kürzerer Abschnitt bearbeitet werden muss und es ist nur eine Seite anzugleichen.
Eine weitere Möglichkeit Sichtkanten zu kaschieren ist, sie an eine Stelle zu legen, wo sie in Blickrichtung nicht sichtbar, also verdeckt sind (Abb. c). Die normale Blickrichtung des Anwenders ist von oben (Pfeilrichtung). Dabei ist der in Abbildung d dargestellte Übergang nicht sichtbar.
Eine andere Variante wäre die Abrundung dieser Wulst, wie in Abbildung d. Dadurch ist dieser Übergang ebenfalls nicht mehr so markant sichtbar.
Das Ziel bei allen diesen Übergängen sollte immer sein, Sichtkanten möglichst unauffällig zu gestalten und die Bearbeitungsflächen so klein wie möglich zu halten.
So kann beispielsweise ein Aufrauhen der Oberfläche eines Körpern dessen Kanten optisch abschwächen. Wenn erreicht wird, die Kanten möglichst verdeckt zu gestalten, ergibt sich auch bezüglich der Toleranzen ein größerer Spielraum.


Im Bild ist ein festes Formteil 1 zu erkennen und die beweglichen Formteile 2, von denen eines ein Kern ist. Die Tabelle gibt die Maßbegrenzungen wieder, die sich durch Verwendung einer unterschiedlichen Anzahl von Formteilen ergeben.
Die Maßbegrenzung soll entweder innerhalb eines Formteiles oder durch zwei Formteile, die sich relativ zueinander bewegen, realisiert werden. Wenn sie innerhalb eines Teiles realisiert wird, sind die Maßtoleranzen mit denen gleichzusetzen, die vorher in der Gussform vorlagen.
Problematischer wird es jedoch, wenn zwei Formteile eingesetzt werden.
Die Toleranz der Maße a, a1 und a2 wird durch den festen Formteil 1 festgelegt und die Toleranz des Maßes b1 und b2 durch den beweglichen Formteil und den Kern (Formteile 2).
Die Maße c sind die Bereiche, die sich durch das Fügen der beiden Teile ergeben, d.h. die Toleranz dieser Maße ist die Summe der Einzeltoleranzen der Formteile 1 und 2. Dementsprechend groß sind auch die einzelnen Fehlereinflüsse die sich aus den Formteilabweichungen ergeben können.
Als erstes könnte das obere Formteil eine Maßabweichung aufweisen, wovon die Maße c1 und die Wandstärke c beeinflusst würden. Oder es verschiebt sich und erhält somit eine Lageabweichung, wodurch die Toleranz nicht mehr von den einzelnen Formteilen abhängig ist, sondern von der Paarung beider.
Das Maß c2 kann abweichen, wenn z.B. die Kräfte zum Paaren der beiden Formhälften nicht ausreichen um dem Druck standzuhalten, der beispielsweise bei Spritzgussverfahren in der Form aufgebaut wird. Die Paarungsflächen der Formteile würden sich aufweiten.
Die Toleranzen der Maße c sind also durch das Formteil beeinflusst, das Maß d durch die Toleranz des beweglichen Kerns. Die Toleranz lässt sich durch ein Formteil ein-grenzen.
Bei der Einhaltung von Toleranzen stellt das Maß c also das größere Problem dar. Wenn sich das Formteil 1 aufweitet, resultieren daraus relativ große Abweichungen, die schwer beeinflussbar sind.
Das Absenken des Formteiles 2 wird durch eine Führung gelenkt, die relativ genau arbeitet, jedoch das Aufweiten der Form ist von fertigungstechnischen Einflüsse, wie Elastizität und innerem Druck abhängig.
Somit ergeben sich innerhalb der Tabelle vier unterscheidbare Toleranzen, die unter-schiedlich zu handhaben sind.


Maßbegrenzung |
durch |
ein Formteil |
zwei Formteil |
Formteile |
fest 1 |
beweglich 2 |
fest und
beweglich |
beweglich |
Maßkennzeichnung |
a |
b |
c |
d |
|

Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Gestaltung von Gussteilen ist im oberen Bild dargestellt. Abbildung a zeigt das Werkstück, wie es aussehen soll. Wenn die seitlichen Lageabweichungen der beiden Formteile zueinander einmal übertrieben dargestellt werden, kann sich eine Gestalt, wie in den Abbildungen b und c ergeben. In Abbildung b wird die zylindrische Öffnung durch die untere Form realisiert und durch die Verschiebung des oberen Teiles, würde sich die Öffnung weit aus dem Zentrum heraus bewegen. In Abbildung c ist die Verschiebung zur anderen Richtung hin dargestellt, wobei die Öffnung nun durch das obere Formteil realisiert wird.
Die Lösung ist in Abbildung d aufgezeigt. Hier kommt eine Verschiebung der beiden Formteile nicht zum Tragen und ist an der späteren Form des Gussteiles nicht mehr sichtbar.


Beim nächsten Beispiel (vgl. unteres Bild) wird die konstruktive Gestaltung genauso wie zuvor gehandhabt. Auch hier wird bei der Lage der Formteilungsebene und einer gleichzeitigen Verschiebung der Formhälften eine Veränderung der gewünschten Form des Gussstückes sichtbar. Dies ist in Abbildung f übertrieben dargestellt. Es zeigt sich, dass die Formteilungsebene ungünstig gewählt wurde und bei einer geringen konstruktiven Änderung und einer optimierten Lage der Formteilebene die Auswirkungen einer Verschiebung nicht mehr bemerkt werden (Abb. g).
Die Gestaltungsrichtlinie lautet also, dass durch eine zweckmäßige Geometrie des Gussteiles sowie die richtige Anordnung der Formteilungsebenen Genauigkeitsforderungen vermieden werden können.


Im Bild wird ein Gussteil gezeigt, welches in einer Form hergestellt wird. Die zylindrischen Öffnungen werden in Abbildung a durch den oberen Formenteil realisiert und relativ zur unteren Form kann sich ein Querversatz oder sogar eine Verdrehung ergeben. Es ist zu erkennen, dass sich bereits relativ geringe Abweichungen ungünstig auf die Bauteilgeometrie auswirken können, bis hin zum Funktionsfehler.
Wenn nun die Öffnungen mit über die innere Form realisiert werden, zeigen sich die Abweichungen auf eine solche Weise, wie es bei Abbildung b dargestellt ist. Hier wurde die Formteilungsebene verändert und eine Verknüpfung der Teilgeometrien in einer Formhälfte umgesetzt. Alles, was an Genauigkeiten gefordert wird, wird hier in einem Formteil konzentriert. Ein Versatz durch die obere Formhälfte ist nach wie vor möglich, doch die Öffnungen, die das wichtige funktionelle Kriterium darstellen, sind nicht verschoben worden.

