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Das Problem der Temperaturänderung während des Erstarrens führt nicht nur zum Aufbau von Spannungen und Deformationen, sondern auch zur Bildung von Lunkern.

Als Lunker bezeichnet man Hohlräume im Gusskörper, die durch unterschiedliche Abkühlgeschwindigkeiten und dementsprechend unterschiedlichem Schwinden des Gussmaterials entstehen.




Bild: Erstarrungslunker


Im Beispiel im Bild ist eine Möglichkeit aufgezeigt, um sogenannte Erstarrungslunker zu vermeiden. Dies wird an einem L-Profil dargestellt.
Gussteile erstarren von außen nach innen, d. h. die äußere Phase ist fest und die innere noch immer flüssig (Abbildung a1, b1). Das Problem ist, dass sich bei der gleichmäßigen Abkühlung (Abbildung b2) Lunker ausbilden, die je nach Materialstärke unterschiedliche Größen haben.

Die prinzipielle Lösung ergibt sich durch das sogenannte Richten der Erstarrungsfront, wie in Abbildung b2 dargestellt. Durch eine zunehmende Materialstärke wird sich eine Erkaltungsfront ergeben, die jeweils Material nachziehen kann.

Wird eine Bearbeitungszugabe vorgesehen, entstehen die Lunker in einem Bereich, der durch späteres Nachbearbeiten entfernt werden kann.

Bei Werkstücken die größere waagerechte Bereiche aufweisen, ist also zu überlegen, diese Bereiche schräg zu gestalten, bzw. das Werkstück in einer anderen Lage (z.B. vertikal) zu gießen. Bei Werkstücken, die hohen Belastungen ausgesetzt sind, ist dies besonders zu berücksichtigen, da die Bildung von Lunkern immer mit einem Festigkeitsverlust im Werkstück verbunden ist.




Bild: Vermeidung von Lunkern


Im Bild ist ein rotationssymmetrisches Teil dargestellt. Die Zahlen in den Heuvers´schen Kreisen entsprechen dabei Größenverhältnissen.
Beim Guss des Werkstückes ist dafür zu sorgen, dass sich die Lufteinschlüsse aus dem kritischen Bereich fortbewegen können und das Material von oben nachgezogen werden kann.
In Abbildung a ist erkennbar, dass sich zwei relativ gleiche Erstarrungsfronten, jeweils in Richtung Mittelsteg ausbilden werden, so dass das Material in den entsprechenden Richtungen nachgezogen wird. Der Bereich, mit Ziffer 7 gekennzeichnet, stellt die größte Materialanhäufung dar und wird zuletzt erkalten, d.h. das Material wird aus diesem Bereich abwandern. Dies wirkt sich natürlich auf den Spannungsverlauf und die Bildung von Lunkern im Bereich des Mittelsteges ungünstig aus.

Eine Lösung könnte, wie in Abbildung b aussehen. Die Bearbeitungszugaben, hier grau dargestellt, werden so gestaltet, dass das Teil an allen Stellen dicker wird.

Betrachtet man nun die Heuvers´schen Kreise, ergibt sich eine stetige Querschnittszunahme, die nach oben gerichtet ist ( 6 - 7 - 8).
Der Steiger wird einfach vergrößert, wodurch sich die Richtung der Erstarrungsfront von unten nach oben ergibt.

Der dann noch mit eventuellen Lunkern oder Verformungen belastete Teil des Werkstückes läge somit im oberen Bereich des Steigers, der durch die Nachbearbeitung sowieso entfernt wird.

Ein weiterer Grundsatz in der Gießereitechnik ist es, Gussteile prinzipiell nicht mit scharfen Kanten, sondern mit Radien zu versehen (vgl. Bild).

Mechanisch beanspruchte Teile sollten immer rund gestaltet sein, weil die Spannungslinien in solchen Fällen günstiger verlaufen. Das Werkstück erstarrt wieder von außen nach innen. Wie im Bild erkennbar, ist dieses Erstarren, und somit der Spannungsverlauf, um so ungleichmäßiger, je größer die Materialanhäufung an der Werkstückkante ist. Beim Erstarren des inneren Bereiches ist ein Nachziehen von Material nicht mehr möglich. Als Ergebnis entsteht ein gefährdeter Bereich, welcher verstärkt Lunker enthalten kann (Abbildung a).

In Abbildung b sind bereits Radien enthalten, jedoch sind diese immer noch zu klein gestaltet, so dass sich zwar die Werkstofffehler durch Lunker verringern, aber doch noch vorhanden sind.

Zielstellung für die Gestaltung von Einzelteilen aus Gusswerkstoffen ist es, möglichst große Radien an den Werkstückkanten auszubilden (Abbildung c) und somit eine annähernd konstante Wandstärke. Dadurch werden sich im gefährdeten Bereich nur Mikrolunker ausbilden.




Bild: Vermeidung von Lunkern an Gussteilkanten


Im oberen Bild noch einmal ein Beispiel dargestellt, wie Querschnittsänderungen die unvermeidbar sind, gestaltet werden können, damit sie in dem nach Heuvers definierten unkritischen Bereich liegen.

Wie bereits an anderer Stelle betrachtet, sollten diese Übergänge allmählich gestaltet werden, wie in Abbildung b dargestellt. Die Spannungsverhältnisse beim Übergang von der flüssigen in die feste Phase sind günstiger und ein Nachziehen von Material erweist sich nicht als problematisch.

Damit ergibt sich ein weiterer wichtiger Grundsatz für die Gestaltung von lunkerfreien Werkstücken daraus, dass schroffe Querschnittsänderungen vermieden werden sollten.




Bild: Querschnittsänderungen


Mit Hilfe, der von Heuvers entwickelten Kontrollkreismethode können Wandstärkenänderungen beurteilt werden. Auch bei den Bauteilen im unteren Bild erstarren die dünneren Wände schneller als die dickeren. Die Versteifungen oder Verdickungen, die an bestimmten Stelle angebracht werden sollen, führen zu einer Materialanhäufung, die nicht vermieden werden kann. Diese sind in einem definierten Bereich vernachlässigbar.




Bild: Heuvers´sche Kontrollkreismethode


Dieser unkritische Bereich der Wandstärkenänderungen wird nach HEUVERS aus dem Verhältnis der Flächeninhalte der, in den jeweiligen Querschnitten eingezeichneten Kontrollkreise abgeleitet. Es gilt:




Besonders zu beachten ist Bedingung [1] an Verzweigungen des Querschnittes. Im Bild ist die Auswirkung des Verzweigungswinkels auf das Ergebnis der Kontrollkreismethode dargestellt (Abb. a - d) und zwei mögliche Lösungsansätze diese Problems aufgezeigt (Abb. e, f).


Tabelle: Heuvers´sche Kontrollkreismethode
  Winkel
des Ab-
zweiges
d1HK
[mm]
F1HK
[mm2]
d2HK
[mm]
F2HK
[mm2]
F2HK
F1HK
a) 90° 10 78,5 12,5 122,7 1,6
b) 60° 10 78,5 13,3 139,6 1,8
c) 45° 10 78,5 14,5 164,2 2,1
d) 30° 10 78,5 15,9 198,3 2,5
  Mögliche Lösungen:
e) Variante 1
Querschnittsverminderung
im Abzweig auf 8 mm
11,6 105,7 1,4
f) Variante 2
Materialverminderung
am Abzweig um 2 mm
11,2 97,1 1,2

Im Bild soll die Vermeidung von Materialanhäufungen, die den Ausgangspunkt für die Bildung von Lunkern darstellt, an einem anderen Beispiel diskutiert werden.

Sollen die Stege bis zum Zentrum geführt werden (Abbildung a), ergibt sich an dieser Stelle ein Knotenpunkt, der eine Materialanhäufung darstellt. Das Ergebnis ist eine im oberen Bereich verstärkte Lunkerbildung und somit gleichzeitig eine Verringerung der Festigkeit in diesem Bereich.

Im vorliegenden Fall ist die Lösung des Problems recht einfach, wenn der Knotenpunkt, wie in Abbildung b dargestellt, einfach ausgeweitet wird.
Durch das Einarbeiten einer Senkung wird die Wandstärke vereinheitlicht und der Übergang von Nabe zu Steg ohne Materialanhäufung gestaltbar.




Bild: Vermeidung von Lunkern


Das Bild - Abbildung a zeigt ein Speichenrad mit zwei tangential zum Innenkreis verlaufenden Speichen. Klar erkennbar sind die Materialanhäufungen an den tangentialen Übergängen. Untersucht man nun diese Übergänge anhand der Heuvers´schen Kontrollkreismethode, ist zu erkennen, dass das Verhältnis der Kreise an den Übergangen die Heuvers'sche Bedingung von F2/ F1 < 1,5 nicht erfüllen.

Die Lösung dieses Problems könnte, wie in Abbildung b dargestellt, aussehen.




Bild: Vermeidung von Materialanhäufungen


Im Bild--Abbildung a - ist ein Teil dargestellt, welches durch die Verarbeitung von viel Material sehr steif gestaltet wurde. Dies ist jedoch aus den bisher genannten Gründen recht ungünstig und kostenintensiv.

Eine Lösung würde sich ergeben, wenn der durch eine Materialanhäufung gekennzeichnete Raum hohl gestaltet würde (Abbildung b).

Bei dem Entwurf in Abbildung c ist die Außenform des Teiles so verändert worden, dass die Steifigkeit annähernd beibehalten wird, aber eine gleichmäßige Wandstärke erzielt wird.




Bild: Vermeidung von Materialanhäufungen


Technische Konstruktionen beinhalten immer Kompromisse zwischen verschiedenen Forderungen. Der ungünstige Fall ist, dass eine Materialanhäufung aus funktionellen Gründen unvermeidbar ist.
Hier wäre dann eine verstärkte Lunkerbildung, wie im Bild - Abbildung a dargestellt, vorzufinden. Die daraus resultierende Schwächung des Materials ist nicht unerheblich.

Die Aufgabe besteht nun darin, ohne wesentliche konstruktive Veränderungen am Werkstück ein fehlerfreies Gussteil herzustellen.

Dieses Problem könnte hier durch eine technologische Maßnahme gelöst werden (Abb. b). Durch den Einsatz eines sogenannten Abschreckringes erfolgt die Kühlung des kritischen Bereiches, dass heißt, der dickere Bereich wird in der Erstarrungsgeschwindigkeit dem dünneren Bereich angepasst. So kann ein Nachziehen von Material und somit die Lunkerbildung vermieden werden.




Bild: Vermeidung von Lunkern


Im oberen Bild ist ein Sandgussteil dargestellt, bei dem der Einguss in der Mitte und die Steiger rechts und links sichtbar sind. Beim Eingießen lässt sich nicht verhindern, dass Luft in der Form ist. Diese Luft sollte im Verlaufe des Gießens möglichst entweichen können.

In Abbildung a ist dies nicht möglich und es werden an dieser Stelle Lufteinschlüsse im Werkstück zurückbleiben. Wenn die waagerechten Flächen nicht funktionsbedingt sind, könnte die Lösung dieses Problems, wie in Abbildung b, aussehen.

Die Stege sind schräg gestaltet, so dass das eingeschlossene Gas leichter über die außenliegenden Steiger entweichen kann.




Bild: Gussfehler


Das untere Bild zeigt ein weiteres Beispiel für einen häufig auftretenden Gussfehler. Hier ist eine Lagerung in Form eines Zylinders dargestellt. Das Lager ist über Stege mit dem Außenmantel verbunden. Die Formteilungsebenen liegen fest und sind in den Abbildungen bereits eingezeichnet. Die Hinterschneidungen lassen sich bei dieser geforderten Form nicht ganz vermeiden. Es ist zu erkennen, dass die Lufteinschlüsse (Abbildung a), im oberen Bereich, mit Pfeil gekennzeichnet, nicht entweichen können. Die Anzahl der Lunker wäre also an dieser Stelle größer und könnte ein solches Ausmaß annehmen, dass die Festigkeit des Gussteiles abnimmt und damit seine Funktion beeinträchtigt wird.

Die Lösung kann, wie in Abbildung b dargestellt, aussehen. Es werden keine Lufteinschlüsse gebildet und Materialfehler dadurch vermieden.




Bild: Gussfehler


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