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Aus den Beziehungen zur Umgebung kann die Funktion des technischen Produktes abgeleitet werden.


Als Ergebnis der Analyse des Libellenprüfgerätes liegt eine Beschreibung seiner Gesamtfunktion vor (siehe Bild). Durch die Beschränkung auf den Hauptfunktionsfluss wurde die Verstellschraube (Teil 10), welche zur Korrektur der Neigung des Gesamtsystems dient, während der Abstraktion vernachlässigt. Darum erscheint diese Teilfunktion nicht in der Gesamtfunktion.
Das Gerät wurde nur während seiner Anwendung analysiert. Bei Betrachtung der Umgebung während der Aufstellung und Einrichtung des Gerätes ist ggf. eine Schieflage der Aufstellfläche zu berücksichtigen, welche als Fehlergröße auf das Gesamtsystem wirkt. Das Gerät muss auf solche Einflüsse der Umgebung reagieren können, was in diesem Fall durch die Verstellschraube (Teil 10) geschieht. Durch diese zusätzliche Eingangsgröße kann das Gerät horizontiert werden. Zur Beschreibung dessen bedarf es einer weiteren Teilfunktion.
Als Eingangsgröße wird der Weg am Umfang des Rändelknopfes sH benutzt, der den Neigungsfehlers γ korrigiert. Im horizontierten Zustand muss der Winkel gleich dem Winkel 0 sein. Dies ist der Fall, wenn die Skala Null zeigt. Die Gesamtfunktion ist demzufolge komplexer, als bisher festgestellt.
Aus dieser Betrachtung folgt als Verallgemeinerung die Unterscheidung von zwei Gruppen von Funktionsgrößen:
- Größen, die den Zweck des technischen Gebildes bestimmen und die Hauptfunktion darstellen, nennt man funktionsrelevante Eingangsgrößen Ef und Ausgangsgrößen Af.
- Die nichtfunktionsrelvanten Größen am Eingang En und am Ausgang An sind Neben-, Hilfs- oder Störgrößen.
Innerhalb des Blockes wird die Beziehung zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen angegeben. Die systeminneren Parameter Zi, auch als Systemoperator bezeichnet, bestimmen die Überführung der Eingangsgrößen in die Ausgangsgrößen.
Definition:
Die Funktion eines technischen Gebildes ist die für einen Zweck ausgenutzte Eigenschaft, die funktionsrelevanten Eingangsgrößen Ef in die Ausgangsgrößen Af unter bestimmten Bedingungen (En und An) zu transformieren.
An den in der Tabelle aufgeführten Beispielen häufig wiederkehrender Funktionen werden verschiedene Formen der Funktionsbeschreibung und ihre Verallgemeinerung gezeigt:

Tabelle: Technische Grundfunktionen
Bauelement |
Funktion |
Veränderungs-
merkmal |
konkret |
allgemein |
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Qualität |
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Quantität |
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Quantität |
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Ort |
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Anzahl |
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Zeit |
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Der Elektromagnet (siehe Bild) ist in der Lage einen Anker anzuziehen, wenn Spannung an der Spule mit einem Eisenkern anliegt und Strom fließt. Die angegebene Beziehung beschreibt den physikalischen Zusammenhang zwischen dem elektrischen Strom I als Eingangsgröße und der Kraft F als Ausgangsgröße, die mit der Permeabilität µ0, mit der Windungszahl w und umgekehrt proportional mit dem Luftspalt wächst.


Verallgemeinernd ist festzuhalten, das die Größen am Ein- und Ausgang physikalisch unterschiedlich sind. Am Eingang findet man eine elektrische Energie und am Ausgang eine mechanische. Das bedeutet, dass eine Größe von einem physikalischen Bereich A in einen physikalischen Bereich B transformiert wird. Ist eine solche Situation gegeben, spricht man von einem Wandler. Die Teilfunktion, die dieses Gebilde ausführt, wäre die Teilfunktion Wandeln, die sich mit verschiedenen physikalische Effekten realisieren lässt. Es können z. B. genauso optische in elektrische Größen gewandelt werden, solche Wandler findet man häufig als Sensoren in der Meßtechnik wieder.
Die anderen Beispiele sind analog zu betrachten. Sie dienen z. B. dem Umsetzen, dem Verstärken oder Reduzieren, dem Schalten oder anderen Teilfunktionen.
Verallgemeinert man die zwischen Ein- und Ausgangsgröße herbeigeführte Veränderung, so erhält man die Grundfunktionen:
Qualität => Wandeln, Umsetzen
Quantität =>Reduzieren, Schalten, Sperren
Ort => Übertragen
Anzahl => Verknüpfen
Zeit => Speichern
Diese Grundfunktionen, die man in der Technik überall wiederfindet, können als Bausteine dienen, wenn neue Produkte entwickelt werden. Es ist zu überlegen, mit welchen Funktionen ein solches Produkt ausgestattet werden soll, damit die Gesamtfunktion erfüllt wird.
Eine weitere wichtige Gruppe sind die Funktionen der Koppelstellen.


Die Koppelstelle im Bild wird durch das geometrische Elementenpaar Zylinder- Zylinder gebildet. Es besitzt den Freiheitsgrad 2. Als Relativbewegungen sind die Verschiebung sz und die Drehung φz zwischen beiden Teilen möglich. Die Funktion lässt sich genauer beschreiben, wenn man die beiden Bauelemente BE1 und BE2 und die zu übertragenden Größen als Blockbild darstellt. Von den 6 Bewegungskomponenten werden 4 übertragen und 2 ausgekoppelt. Damit sind Freiheiten und Unfreiheiten leicht erkennbar. Mathematisch lässt sich die Übertragung des Ausgangsvektors A1i des Bauelements in den Eingangsvektor E2i des Bauelements 2 durch eine Kopplungsmatrix beschreiben. Die Diagonale enthält für die übertragenen Größen den Wert 1 und für die nicht übertragenen Größen den Wert 0.
Die Übersicht zeigt, in welcher Form man technische Funktionen beschreiben kann.


Die älteste und einfachste Form der Funktionsbeschreibung in der Konstruktion ist die natürliche Sprache. Bevor man etwas mathematisch formulieren kann, formuliert man zu Beginn der Entwicklung als erstes den Zweck, den ein Produkt erfüllen soll. Dies geschieht verbal in kurzen Ausdrücken oder Sätzen, die das Verhalten und die Leistung des gewünschten Produktes beschreiben. Die natürliche Sprache ist ein nicht sehr genaues Beschreibungsmittel. Sie ist jedoch effektiv, wenn mit Fachleuten diskutiert werden soll. Auch kann man mit Hilfe dieser verbalen Begriffe sehr gut abstrahieren und somit große Lösungsfelder und Varianten mit einem Wort erfassen.
Die zweite Möglichkeit ist die kybernetische Darstellung, in Form des Blockbildes. Der Vorteil der kybernetischen Beschreibung liegt in der anschaulicheren und variablen Darstellung. Die Größen und ihre Beziehungen sind erkennbar und es besteht die Möglichkeit, die Parameter, Merkmale und Daten anzugeben, die für den Zweck der Beschreibung notwendig sind. Sie kann also auch unvollständig sein. So spricht man von einer Blackboxbetrachtung, wenn die inneren Zusammenhänge nicht bekannt sind und lediglich Ein- und Ausgangsgrößen vorliegen. Das ist der Fall der Synthese, wenn eine technische Lösung für die Übertragung der Funktionsgröße zu bestimmen ist. Auch hier sind verschiedene Abstraktionsebenen zur Darstellung der Zusammenhänge zwischen Ein- und Ausgangsgrößen möglich.
Zur mathematischen Beschreibung können sowohl Formeln oder ein oder mehrere Diagramme genutzt werden. Ist diese Abhängigkeit nicht konkret bekannt und gibt es nur diskrete Werte, so kann man auch mit Wertetabellen arbeiten. Die Ein- und Ausgangsgrößen werden durch eine Menge von Parameterpaaren ei bis ai beschrieben.
Bei der Analyse technischer Systeme sowie beim Entwurf ist es zweckmäßig, unterschiedliche Funktionsarten zu nutzen.
- Gesamtfunktion
- Teilfunktionen
- Nach der Veränderung der Funktionsgrößen innerhalb des technischen Gebildes
⇒ Teilsysteme, Bauelemente des technischen Gebildes - Nach physikalischen Bereichen
Mechanisch oder Stoff-Verarbeitung
Optisch Energie-Verarbeitung
Elektrisch Informations-Verarbeitung
- Grundfunktionen
Außerdem: Unterscheidung Haupt- und Neben(Hilfs-) - Funktionen
Die Gesamtfunktion ist immer dann gegeben, wenn das System als ganzes beschrieben wird. Man erfaßt hierzu am Ein- und Ausgang alle funktionsrelevanten und nichtfunktionsrelevanten Größen.
Bei Teilfunktionen handelt es sich um die Funktionen von Komponenten des Systems. Sie kann man nach zwei Gesichtspunkten unterteilen. Einmal nach der Art der Veränderung der Funktionsgrößen innerhalb des technischen Gebildes. Jedes Teilsystem liegt im Funktionsfluß und verändert die Funktionsgrößen innerhalb des technischen Gebildes. Teilfunktionen können auch gebildet werden, wenn sie nach ihrem physikalischen Bereich geordnet werden, in dem sie die Übertragung realisieren. In einem komplexen Gebilde gibt es teilweise recht unterschiedliche Funktionen, wie z. B. mechanische, elektrische, optische und andere Teilfunktionen. Außerdem wird in solche unterteilt, die einen Stofffluß bewerkstelligen, der Stoffverarbeitung oder der Informationsverarbeitung dienen.
Des weiteren gibt es Grundfunktionen wie Wandeln, Speichern usw. Weiter wird in Haupt-, Neben- oder Hilfsfunktionen unterschieden.
Funktionsbeschreibungen benötigt man für die Analyse des Verhaltens des technischen Systems und für die Dimensionierung der funktionswichtigen Strukturparameter.
Die Funktionsbeschreibung des Libellenprüfgerätes (siehe Bild unten) kann zur Simulation des Bewegungsablaufs benutzt werden.


Man kann sehr gut erkennen wo der Bewegung Grenzen gesetzt sind und ob es zwischen den Bauteilen zu unbeabsichtigten Berührungen kommt. Somit kann man das Verhalten des Systems nachbilden, auf seine Richtigkeit kontrollieren und ggf. abändern. Dies kann schon im Entwurfstadium geschehen, ohne dass das Gerät gebaut werden muss.
Die Teilfunktionen und damit auch die Gesamtfunktion sind im Beispiel durch Vereinfachung linearisiert (die Wege s1 und s2 sind nicht geradlinig).
Verändert man die Schnittstellen, die zur Abgrenzung der Teilsysteme führten, so erhält man eine andere Funktionsstruktur mit nichtlinearen Teilfunktionen, die die Kinematik des Gerätes real beschreiben.
Den Fehler der linearen gegenüber einer exakten nichtlinearen Beschreibung der Funktion zeigt das Bild.


Der Winkel ψ ist über der Eingangsgröße aufgetragen. Für Funktionsstruktur 1 ändert sich der Abtriebswinkel linear mit der Eingangsgröße. Wird die reale Funktion, mit dem Tangens- und Kurbelgetriebe angesetzt, so wird bei größeren Wegen se die Differenz deutlich. Wenn jedoch der Neigungswinkel ψ unter einem Grad bleibt, so ist der Fehler so klein, dass man in diesem Bereich mit einer linearen Näherung rechnen kann. Diese Zusammenhänge müssen bei einer Funktionsbeschreibung und ihrer Nutzung für eine Simulation berücksichtigt werden.
