Technische Gestaltung > Grundlagen der Gestaltung > Grundlagen/Einführung > Begriffe und Einflussfaktoren
Was ist Gestalt? Umgangssprachlich wird der Begriff der Gestalt meist nur auf die äußere, geometrische Form reduziert.
Die Geometrie, die im Bild zu sehen ist, beschreibt einen zylindrischen Körper, der eine axiale, zylindrische Öffnung besitzt.

Die Geometrie wird beschrieben durch die räumlichen Abmessungen des Körpers, wie Innen- und Außendurchmesser, Höhe und Beschaffenheit der Oberfläche. Diese Parameter können zusätzlich noch mit Toleranzen versehen sein. Um nun einen vollständigen Körper aus einer Geometrie zu erhalten, fehlen noch seine stofflichen Eigenschaften, d.h. seine chemische Zusammensetzung und physikalischen Merkmale, wie z.B. Dichte, Festigkeiten, Zähigkeiten, elektrische, optische und thermische Eigenschaften. Die Gesamtheit aller stofflichen Eigenschaften eines Körpers wird durch den Begriff Werkstoff charakterisiert.
Neben Geometrie und Werkstoff wird die Gestalt noch durch anwendungsspezifische, physikalische Zustandsgrößen, wie z. B. Temperatur oder Vorspannungen, beschrieben. Dieser physikalische Zustand ist nicht geometrie- oder werkstoffspezifisch.
Geometrie und Werkstoff sind die grundlegenden Eigenschaften, die durch die Gestaltung festgelegt werden müssen.
Die Gestalt ist die Gesamtheit:
- der geometrischen Eigenschaften
- der stofflichen Eigenschaften
- der Zustandseigenschaften des technischen Gebildes
Unter Gestaltung verstehen wir die zweckorientierte Bestimmung der nachfolgend aufgeführten drei Eigenschaftsgruppen, durch die die Gestalt beschrieben wird:
- Geometrische Eigenschaften
z.B. Längen, Breiten, Höhen, Winkel, Abstände, Form der begrenzenden Flächen, Oberflächenqualitäten - Stoffliche Eigenschaften
verwendete Werkstoffe und ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften - Zustandseigenschaften
z.B. Vorspannung, Temperatur, Magnetisierung
Beim Gestalten sind immer bestimmte Anforderungen zu beachten, die in zwei große Gruppen eingeteilt werden können, die sogenannten objektspezifischen und die allgemeingültigen Forderungen:


Die objektspezifischen Forderungen resultieren aus der Aufgabenstellung und beinhalten die zu erfüllende Funktion, die Anwendungsbedingungen und die Hinweise zur Nutzung. Diese Forderungen werden in einer Forderungsliste zusammengestellt, die in der Praxis Inhalte des Pflichtenheftes ist.
Die allgemeingültigen Forderungen sind Extremanforderungen, die auf bestimmte Bedingungen abzielen. Es handelt sich dabei um Forderungen, wie minimaler Kosten-aufwand, minimaler Raumbedarf, minimale Masse, minimale Energieverluste, maxima-le Lebensdauer und optimale Nutzung. Diese Bedingungen gelten unabhängig von jeder Aufgabenstellung.
Das dargestellte Bauteil ist ein Kreuzgriff, der als Verbundgussteil aus Kunststoff und einem Metallteil hergestellt wurde. Bei dem Werkstoff des Kunststoffteiles könnte es sich beispielsweise um ein Phenolharz handeln, in das Füllstoffe, wie Holzmehl eingelagert sind.


Gestalt- detail |
Gestaltungsrichtlinie |
Einflussfaktor |
1 |
Schrumpflänge minimieren |
Verbundguss, Spannung |
2 |
Formschlussvorsehen |
Verbundguss, Kraft, Moment |
3 |
Kraftfluss nicht über Verbindungsstelle leiten |
Kraft |
4 |
Gewindeanfang mit Fase versehen |
Montage |
5 |
bei Handbetätigung scharfe Kanten vermeiden u. Formschluss anstreben |
Ergonomie |
6 |
zu erwartende Formabweichungen durch geforderte Formen der gleichen Art verdecken |
Ästhetik, Fertigung |
|

Einflussfaktoren bei dem Metallteil sind das Gewinde, das Rändel und der Einstich. Da Kunststoffteile nach dem Spritzvorgang in ihrem Volumen schwinden, würden bei der Verkleinerung Spannungen im sich verfestigenden Kunststoff hervorgerufen. Wenn die Spannungen zu groß werden, kann es letztlich sogar zu einer Rissbildung führen, deshalb sollte die Schrumpflänge so kurz wie möglich gestaltet werden.
Die Einflussfaktoren sind also hier die durch den Verbundguss auftretenden Spannungen. Sie müssen bei der Gestaltung der Formelemente berücksichtigt werden.
Da mit diesem Kreuzgriff ein Drehmoment und somit eine Kraft übertragen werden soll, muss ein Formschluss vorgesehen werden. Ist dieser nicht vorhanden, könnte sich der Griff von der Achse lockern, und eine Kraft- und Momentübertragung wäre nicht mehr möglich. Es müssen also Flächen quer zur Drehrichtung vorhanden sein, welche die am Kunststoffteil (Griff) wirkende Umfangskraft (Drehmoment) auf das Metallteil (Achse) übertragen.
Diese Flächen werden als Rändelung der Achse bezeichnet. Die tangentialen Kräfte werden durch die Flächen in positiver und negativer Richtung abgestützt und gesichert.
Das Detail 3 ist eine Stirnfläche an der Achse, die gewissermaßen einen Anschlag für den Fall darstellt, dass der Kreuzgriff vollständig in ein Gegenstück eingeschraubt wird. Wenn das Gegenstück auf den Kunststoff drücken würde, könnten die, an dieser Stelle wirkende, große Axialkraft zu einem Ablösen des Kunststoffteiles von der Achse führen. Deshalb wird die Fläche so gestaltet, dass das Gegenstück an ihr anliegen kann.
Grundsätzlich heißt das, dass der Kraftfluss nicht über die Verbindungsstelle geleitet werden soll, sondern an einer unkritischen Stelle abzufangen ist. Der Einflussfaktor ist in diesem Grenzfall also die Achsialkraft.
Das Detail 4 ist eine Phase, welche die Aufgabe hat, am Gewindeanfang scharfe Kanten zu vermeiden und eine Montage zu erleichtern.
Das Detail 5 ist der Kreuzgriff aus Kunststoff. Die Gestaltung seiner Form sollte so umgesetzt werden, dass eine Verletzungsgefahr durch scharfe Kanten vermieden wird. Er sollte "habtisch" (tastsinnorientiert) gestaltet sein, d.h., dass ein optimaler Formschluss zwischen den Fingern und dem Kunststoffgriff gewährleistet ist.
Die Ergonomie ist also ein weiterer Einflussfaktor für die Gestaltung der Form dieses Griffelementes.
Mit dem Detail 6 sind Flächen gekennzeichnet, die sich negativ bemerkbar machende optische Fehler kaschieren sollen. Geometrieabweichungen, die durch vorgegebene Toleranzen entstehen können, sollen möglichst nicht als Fehler erkennbar sein, sondern vom Betrachter als gewollt wahrgenommen werden.
Die Fläche wurde schräg gestaltet, weil dadurch eine leichtere Ausformung möglich ist. Außerdem muss die Achse in die Form eingelegt und abgedichtet werden, was nur bei glatten Flächen ohne großen Aufwand geschehen kann.
Der Freistich hat die Aufgabe, das Gewindeschneiden zu erleichtern.
Kunststoffteile können entweder farblich beschichtet oder durchgefärbt werden. Im vorliegenden Beispiel ist ein durchgefärbtes Teil vorteilhafter, da es keiner Farbveränderung infolge von Abnutzung unterliegt.
Jedes Gestaltdetail in einer Baugruppe erfüllt hinsichtlich seiner Form eine bestimmte Funktion und wurde nicht zufällig ausgewählt.
Die Tabelle zeigt einen Auszug aus den vielfältigen Forderungen und Gestaltungsrichtlinien. Für die Funktion können Gestaltungsrichtlinien, wie z.B. funktionsgerecht oder toleranzgerecht abgeleitet werden.

Tabelle: Gestaltungsregeln und -prinzipien
Gegenstand |
Forderungen |
Funktion |
funktionsgerecht, toleranzgerecht, Erfüllen der gestellten Aufgabe und der sich daraus ableitenden Teilaufgaben |
Werkstoff und Dimensionierung |
werkstoffgerecht, beanspruchungsgerecht, formänderungsgerecht, verschleißgerecht, korrosionsgerecht |
Herstellung |
fertigungsgerecht, verarbeitungsgerecht, montagegerecht, automatisierungsgerecht, stückzahlgerecht, justiergerecht, Standard- und normgerecht |
Ergonomie (Beziehung Mensch - Gerät) |
gebrauchsgerecht, formgerecht, bediengerecht, handhabungsgerecht |
Kontrolle |
kontroll- bzw. prüfgerecht |
Gebrauch und Instandhaltung |
gebrauchsgerecht, instandhaltungsgerecht, wartungsgerecht, transportgerecht |
Recycling |
wiederverwendungsgerecht |
|

Eine zweiter wichtiger Aspekt sind die Werkstoffe und deren Dimensionierung. Auch die Beanspruchungen sind von großer Bedeutung. Formänderungen, Verschleiß und Korrosion dürfen nicht zu negativen Auswirkungen auf die Funktionalität führen.
Darüber hinaus stehen noch Forderungen, die während der Herstellung zu beachten sind und sich speziell auf die Prozesse der Fertigung der Einzelteile, der Verarbeitung verschiedener Werkstoffe, der Montage und der Verarbeitung unter Bedingungen der Automatisierung u.a. beziehen. Zusätzlich sind technische Standards, geltende Normen und Gesetze einzuhalten.
Die Ergonomie, die Kontrolle, die Nutzung und die Instandsetzungsfähigkeit bringen weitere Forderungen mit sich. Letztlich dürfen die ökonomischen Aspekte, wie Kosten, Recyclingfähigkeit und Umweltverträglichkeit nicht vergessen werden.
Beim Konstruieren sind folgende Grundregeln zu beachten:

Einfach |
wenig Teilfunktionen und Elemente,
keine Sonderwerkstoffe,
geometrische Grundformen |
Eindeutig |
keine Doppelpassungen und Überbestimmtheiten,
Normalkräfte und -beanspruchungen,
sinnfällige Bedienelemente,
definierte Kopplungen |
Sicher |
keine unzulässigen Auswirkungen auf Umwelt,
Sicherheitsprinzipien: "Sicheres Bestehen" und "Zulässiges Versagen" |
|

Einfaches Konstruieren bedeutet, dass möglichst wenige Teilfunktionen angestrebt und diese mit möglichst wenig Elementen realisiert werden und dass in diesen Einzelelementen auf einfache geometrische Grundformen zurückgegriffen wird. Der Einsatz von Sonderwerkstoffe ist dabei zu minimieren oder zu vermeiden.
Eindeutig bedeutet, dass das Verhalten des technischen Gebildes sich immer so einstellt, wie es beabsichtigt wurde. Die physikalischen und funktionellen Bedingungen sollten vorab festgelegt sein Die Lage eines Bauteiles sollte nur durch wenige Flächen definiert werden, da dies sonst zu Überbestimmtheiten und Doppelpasssungen führen kann. Was die Beanspruchung betrifft, sollten bevorzugt Normalkräfte auftreten, also solche die senkrecht zur beanspruchten Flächen wirken. Daraus ergeben sich eindeutige Beanspruchungen. Für die Ergonomie ist es wichtig, dass das Konstrukt (Maschine, Gerät, Werkzeug o.a.) so gestaltet ist, dass der Benutzer erst gar nicht zu einer falschen Handhabung verleitet werden kann. Die Bedienelemente müssen sinnfällig gestaltet sein, sodass keine weiteren Erklärungen mehr nötig sind. Weiterhin sind definierte Kopplungen zur Umgebung von Bedeutung.
Sicherheit ist ein sehr wichtiger Aspekt der Konstruktion Eine absolute Sicherheit gibt es in technischen Prozessen nicht, im Gegenteil diese wird noch durch die Mensch-Maschine-Relation beeinträchtigt. Es gibt zwei Maximen der Sicherheit, die man berücksichtigen muss. Das ist zum Einen die Orientierung in Richtung Sicheren Bestehens, was bedeutet, dass eine Konstruktion so ausgelegt wird, dass alle denkbar möglichen Havariefälle abgefangen werden können und somit keine Schäden für Mensch und Umwelt entstehen können.
Der zweite Sicherheitsaspekt wird als Zulässiges Versagen bezeichnet. Ausgehend von der Kenntnis der Grenzen einer Konstruktion (Beanspruchung, Belastung, Lebensdauer o.a.) wird ein sogenanntes Versagensteil eingebaut. Dies könnte z.B. eine Sollbruchstelle sein, die im Falle der Überlastung gewährleisten soll, dass das Versagen an genau dieser Stelle eintritt.
